19.4.11

Save power and carry on!

Japan muss "dank" der beschädigten und / oder heruntergefahrenen Kernkraftwerke Strom sparen. Um genauer zu sein: der (nord)östliche Teil muss Strom sparen, da in West- und Ost-Japan unterschiedliche Stromnetze, die einen sind mit 50 Hz, die anderen mit 60 Hz unterwegs, so dass der eine Teil nicht mal eben so dem anderen mit Stromlieferungen aushelfen kann. Betroffen ist davon natürlich vor allem die Megametropole Tokyo. Und dieses Video zeigt schön, wie es aussieht, wenn in Tokyo einige Lichter ausbleiben...



Auch schön: von Grafikdesignern entworfene Plakate, die zum Stromsparen aufrufen (Sammlung bei Pink Tentacle).

16.4.11

Schlimmer als die Strahlung: Angst

Schon kurze Zeit nachdem das Unglück im AKW Fukushima bekannt wurde, begann man Fragen zu stellen: kann ich hier bleiben (wenn man zum Beispiel gerade in Tokyo war)? Kann ich dahin reisen (und da ging es nicht nur um Japan, sondern auch um den Osterurlaub in Thailand...)? Und vor allem: darf ich noch Sachen aus Japan essen? Mal davon abgesehen, dass Japan ein ziemlich großes - oder sagen wir besser langes Land ist, in dem große Teile weder von Erbeben oder Tsunami noch von der Strahlung aus Fukushima betroffen sind, beeilte sich die EU natürlich zu versichern, das nur geprüfte Waren aus Japan nach Europa kämen. Dann setzte man allerdings die Grenzwerte hoch, worauf logischerweise ein Aufschrei durch Europa ging. Und so setzte man die Grenzwerte selbstverständlich wieder herunter, auf das gleiche Niveau, wie die japanischen.

Beim Zoll, zumindest bei dem in Köln, scheint man es mit den "Einfuhrbeschränkungen" sehr ernst zu nehmen. Meine Frau Miho arbeitet in Köln in einem japanischen Restaurant, wo in der letzten Woche eine neue Köchin aus Japan ihre Arbeit begann. Diese junge Köchin bekam von ihrer Mutter ein Paket geschickt, welches wie zu erwarten beim Zoll landete, wo sie es entgegen nehmen sollte. Inhalt das Pakets: einige Kleidungsstücke und Lebensmittel, darunter von der Großmutter hausgemachte Umeboshi (eingelegte "Pflaumen"). Nur was natürlich fehlte: das Zeugnis der Strahlungsunbedenklichkeit. Mit der Konsequenz, dass das Paket aus der Heimat postwendend zurückgeschickt werden musste. Bitter. Und recht herzlos von den Damen und Herrn beim Zoll. Aber da sind wir Deutschen ja auch gut drin, Vorschriften sind da um eingehalten zu werden...

Ziemlich bitter sind allerdings auch Geschichten aus Japan über die Stigmatisierung von Bewohnern aus der Region um das AKW Fukushima. Aus Angst vor der "ansteckenden" Strahlung werden diese gemieden, gehänselt oder ignoriert. Das erinnert fatal an das Schicksal der Hibakusha, der Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.
Sorgen machen sich auch Anwohner von Müllverbrennungsanlagen, als Gerüchte die Runde machen, man werde in den Anlagen auch Abfälle und Schutt aus der Sperrzone um Fukushima Daiichi verarbeiten.

Um es mit Franklin D. Roosevelt zu sagen: "The only thing we have to fear is fear itself." Oder noch direkter aus Dune: "Fear is the mind-killer".

12.4.11

Fukushima ist NICHT Tschernobyl!

Das war ja abzusehen. Kaum gibt die Japanische Atomaufsichtsbehörde bekannt, dass sie die Kraftwerkskatastrophe von Fukushima auf Stufe 7 der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) gesetzt hat, heißt es direkt in so gut wie allen Nachrichtenkanälen: die gleiche Stufe wie Tschernobyl, also ist der "Super GAU" von Fukushima so schlimm wie Tschernobyl! Wenn nicht sogar noch schlimmer!!!

Nur: so ziemlich das einzige, was Fukushima mit Tschernobyl gemeinsam hat, ist der Umstand, dass ein Unglück in einem Kernkraftwerk passiert ist und Strahlung ausgetreten ist. Das es in Tschernobyl 10x mehr Strahlung war, das der Reaktor explodiert ist und radioaktive Teilchen hoch in die Atmosphäre geschleudert hat, das der Unglücksort nicht betreten werden konnte, das es ganz verschiedene Reaktortypen sind... all das lässt man unter den Tisch fallen, weil man ja "endlich" "zugegeben hat", wie schlimm es wirklich in Fukushima aussieht. Und diese unnötige Panikmache, das Geschäft mit der Angst vor Radioaktivität, dieses Weglassen von wichtigen Hintergrundinformationen, ich muss es so direkt sagen, es kotzt mich einfach nur noch an.

All die wichtigen Unterscheidungspunkte und mehr Informationen, was es mit dieser Bewertungsskala auf sich hat, wurde von Daniel Garcia hier anschaulich zusammengefasst. Bitte bitte, all ihr Journalisten da draussen, bemüht euch doch endlich ein bisschen, den Lesern / Zuschauern / Zuhörern das ganze Bild zu vermitteln!

Auch interessant ist, wer eigentlich die "Drecksarbeit" am Unglücksreaktor in Fukushima machen "darf". Oft war schon die Rede von Leiharbeitern. Bei Japan Probe wurden einige Berichte über die Situation der Arbeiter zusammengefasst. Klar sind auch in Fukushima "einfache" Arbeiter für "einfache" Arbeiten am Werk, aber man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass das in anderen Ländern auch nicht groß anders aussähe.

Um mit einer versöhnlicheren Note abzuschließen: ab heute ist das "aus Twitter geborene" #quakebook "2:46: Aftershocks: Stories from the Japan Earthquake" erhältlich, als digitaler Download bei Amazon. Der komplette Kaufpreis geht an das Japanische Rote Kreuz, also bitte: kaufen! Nicht nur des guten Zwecks wegen...

11.4.11

Alles verstanden?

Ein positiver Seiteneffekt des regelmäßigen Konsums japanischer Nachrichten ist, dass ich einige neue Vokabeln gelernt habe. Zum Beispiel 無事 (ぶじ / buji), direkt übersetzt quasi "Kein Ding", was so viel wie "Alles in Ordnung" heißt. Das gleiche wie 大丈夫 (だいじょうぶ / daijoubu), nur halt wesentlich kürzer. Ein anderes Wort ist 原発 (げんぱつ / genpatsu), auf Deutsch "Atomkraftwerk". Eigentlich ist das Wort viel länger, 原子力発電所 (げんしりょくはつでんしょ / genshiryokuhatsudensho), kein Wunder, dass man das abkürzt.

Zur gleichen Zeit habe ich viele Orts- und Präfekturennamen (Miyagi, Iwate, Fukushimi all die Orte mit Minami- und Higashi- am Anfang) und ihre Lage gelernt und so Dinge wie, dass Kesennuma bekannt für Haifischflossen ist. Bzw. wohl war, die Stadt wurde durch den Tsunami größtenteils zerstört. (Zu sehen zum in diesem heftigen Video...)

Einen wichtigen Anteil hatte die fremde Sprache sicherlich auch für das (Flucht)verhalten vieler in Japan lebender Ausländer und der nicht-japanischen Presse. So sagt Yuri Okina, Vizepräsident des "National Institute for Research Advancement"-Think Tanks, in einem Interview mit Japans größter Wirtschaftszeitung "Nikkei Shinbun" (Zusammenfassung von Matt Alt), dass die Verunsicherung bei Nicht-Japanern vor allem darauf zurückzuführen sei, dass die japanische Regierung und Kraftwerksbetreiber TEPCO zunächst gar keine und später nur sehr wenig Informationen in Englisch weitergab. Wodurch das Gefühl verstärkt worden sei, es solle etwas "verheimlicht" werden. Man hat es ja in den hiesigen Nachrichten gesehen, die Pressekonferenzen des Regierungssprechers Edano wurden so gut wie immer von NHK World übernommen, samt englischer Simultanübersetzung. Das sich bei dieser Form der Informationsbeschaffung auch mal der ein oder andere Fehler einschleicht, sollte nicht verwundern.

So bleibt der Ratschlag: um in Sachen Japan voll informiert zu sein - lernt Japanisch!

10.4.11

Was ändert sich?

Die Berichterstattung aus Fukushima wird immer routinierter. Kein Wunder, schließlich rechnet man mittlerweile damit, dass man mit der "endgültigen" Lösung des "Problems" Fukushima Daiichi noch Jahre beschäftigt sein wird. Man ist noch weiter davon entfernt davon, die Lage im Griff zu haben, aber man hat sich einfach daran gewöhnt, das dem so ist.

So langsam vorbei mit der Routine scheint es aber mit dem Verhältnis von immer mehr Japanern gegenüber der Kernkraft zu sein: das schlägt sich zum einen in dem starken Mißtrauen gegenüber Fukushima Daiichi-Betreiber TEPCO und der Regierung nieder und zum anderen in der wachsenden Zahl von Demonstranten. Versammelten sich bisher immer nur einige Dutzend Kernkraftgegner aus Dörfern in der nähe von geplanten Kraftwerksbauten vor den Konzernzentralen, waren es jetzt nach Schätzungen von Augenzeugen mehrere Tausend, vor allem junge Leute, die gegen ein Kernkraftwerk in Hamaoka demonstrierten. Das Kraftwerk liegt in einem (selbst für japanische Verhältnisse) stark erdbebengefährdeten Gebiet.


Da die meisten Japaner im Demonstrieren nicht so sehr geübt sind, haben sich einige Aktivisten die Mühe gemacht, im typischen "Kawaii"-Stil eine kleine Anleitung "Meine erste Demo" zusammenzustellen. "Was ist überhaupt eine Demo?", "Was macht man da?", "Was soll ich mitbringen" etc., alles wichtige wird erklärt.

Eine andere Möglichkeit seine (evtl.) geänderte Stimme kundzutun bieten die heutigen Lokalwahlen in Japan. Dabei wird unter anderem der Gouverneur von Tokyo gewählt. Das ist seit 1999 Shintaro Ishihara, ein Mann der zuletzt mal wieder unangenehm auffiel, als er das Erdbeben und den Tsunami als "göttliche Strafe" für den "Egoismus" und die "Gier" der Japaner bezeichnete. Aber auch trotz solcher Äußerungen ist er auch wieder einmal zum Gouverneur gewählt worden, ein "Fukushima-Effekt" wie in Baden-Württemberg ist in Tokyo also ausgeblieben.

3.4.11

Neues aus Fukushima

Neuigkeiten (oder gerne auch Spekulationen) aus dem Unglücksreaktor in Fukushima bestimmen nicht mehr gefühlte 24 Stunden die Nachrichten. In den vergangenen Stunden fielen neben dem üblichen "die Sache ist immer noch kritisch" vor allem zwei Meldungen auf. Zum einen, dass die Verseuchung des Meerwassers durch einen 20cm langen Riss im Reaktorboden verursacht wurde (die Reparatur mit Zement schlug wohl fehl, man versucht es jetzt mit Alternativen) und zum anderen, dass zwei Leichen auf dem Reaktorgelände gefunden wurde. Es handelt sich um Kraftwerksmitarbeiter, die allerdings schon seit dem Tag des Bebens und des Tsunamis vermisst wurden. Es ist also davon auszugehen, dass die beiden durch den Tsunami und nicht durch Verstrahlung gestorben sind.

Interessant sind allerdings auch die eher unerwarteten "Nebenwirkungen" der Reaktorkatastrophe. So stiegen an bekannten "nuklearen" Touristenzielen wie dem Atombombentestgelände in Nevada oder Atomraketensilos in Arizona die Besucherzahlen in den letzten Wochen deutlich an. Das das Interesse an nuklearen Informationen deutlich gestiegen sind, merkt auch der Betreiber der Seite "The Virtual Nuclear Tourist", bei dem sich die Besucherzahlen im März mehr als verdoppelt haben. Mehr dazu in diesem Artikel der Seattle Times.

Andere Auswirkungen, wie die Leere der Supermarktregale in Tokyo, haben sich inzwischen wieder etwas normalisiert. Ein Produkt, dass aber weiterhin seltener ist, ist... Jogurt. Das sei laut Hersteller auf die temporären Stromausfälle zurückzuführen, die den Westen Japans seit dem Erdbeben mal geplant, mal ungeplant heimsuchen. Wird während des Herstellungsprozesses die Kühlung unterbrochen, ist die gesamte Tagesproduktion unbrauchbar. Besteht also die Aussicht auf Stromausfälle, verzichtet der Hersteller auf die Produktion von Jogurt.

Die Herstellung von Natto ist ebenfalls durch die Beschädigung von Produktionsstätten eingeschränkt. Und will man seine Sorgen in Bier ertränken, dann könnte das mitunter auch nicht so einfach sein, da durch die Zerstörung der Infrastruktur nur eingeschränkte Mengen hergestellt und transportiert werden können.

Was allerdings nichts gegen die Sorgen sind, die in den vom Tsunami total verwüsteten Gegenden lebenden Menschen haben. Die sind schon über eine warme Tasse Tee froh, die von muslimischen Freiwilligen bekommen. Oder etwas Privatsphäre durch Zelte, wie solche, die sich in einer "Überlebenskiste" von ShelterBox befinden. Niemand wird sicher sagen können, wie lange es dauern wird, bis sich die Lage in ganz Japan wieder normalisiert. Aber wenn man die Auswirkungen, im Kleinen wie im Großen, sieht, dann ist klar, dass es verdammt viel Zeit brauchen wird.

1.4.11

Kaufen und Helfen

Wer nützliche (Spenden für Japan) mit dem Angenehmen (Shopping!) verbinden möchte, der hat im Netz viele viele Möglichkeiten. Klar, man kann bei iTunes ein Charityalbum kaufen, aber es gibt auch sehr viel an Kunst und Design, bei dem die Erlöse wohltätigen Zwecken gespendet werden. Jean Snow hat beispielsweise eine ganze Menge solcher Angebote auf seiner Seite gesammelt. Auch mein liebster T-Shirtladen Graniph hat jetzt eine Sonderauflage für den guten Zweck im Programm und auch die Shirts und Taschen von meemalee machen was her. Zu lesen gibt es auch bald etwas, über Twitter wurde innerhalb weniger Tage das "Quakebook" organisiert, in dem Beiträge aus aller Welt gesammelt sind, von direkt Betroffenen, aber auch von Autoren aus aller Welt. Dabei sind auch so große Namen wie William Gibson oder Yoko One. Also, bald in gedruckter Form oder digital. Und jetzt: auf geht's, shoppen für den guten Zweck!

Domo arigatou, Mr. Roboto!

In den Tagen nach der unfassbaren Erdbeben- und Tsunamikatastrophe sassen die Japaner gebannt vor dem Fernseher, wo auf allen Kanälen nonstop Nachrichten liefen. Doch zwischendurch muss jeder Fernsehsender auch noch etwas Geld verdienen und zeigt Werbung. Aber kann man angesichts dieser Katastrophe Werbung über Spülmittel oder Bier zeigen? Die japanischen Sender entschieden sich fast ausschließlich Werbung von AC, dem Advertising Council Japan, zu zeigen. AC macht ... Aufklärungsspots, über Dinge wie Umweltverschmutzung, Krankheiten wie Krebs oder gute Manieren. Also so Sachen wie bei uns mit "Keine Macht den Drogen", "Gib AIDS keine Chance" und so etwas.

Ein Werbespot lief nahezu in jeder Werbepause und trieb die Zuschauer mit seinem "Popopopoooooon!" nahezu in den Wahnsinn. Es geht ums richtige Grüßen, brav Danke sagen usw. Jede Floskel kriegt dann noch ein Anhängsel dazu und wird zu einem Tier. So wird also zum Beispiel aus "Konbanwa" (Guten Abend) das "Konban-Wani", das Guten Abend-Krokodil oder aus "Sayonara" (Auf Wiedersehen) der "Sayona-Raion", der "Auf Wiederseh-Löwe". Hier das Video in voller Pracht:





Schaut's euch ein paar mal an, ihr werdet das "Popopopoooooon!" nicht mehr los.

Auf jeden Fall kam's wie es kommen musste, die Netzbevölkerung entdeckte das Video für sich und produzierte einige Parodien. Nicht nur das aus den Floskeln Tiere werden - nein, aus den Tieren werden jetzt auch noch Roboter! Japan Probe hat einige dieser Videos gesammelt, viel Spaß beim ansehen!

Sayona-Raioooon!