9.9.08

Nachklapp, die Erste: Matsuyama

Gestärkt vom Ekiben (heute gab es den Okayama-Schweinepott, eine Ladung Reis und darauf dreierlei Schweinefleisch, als Braten, Geschnetzeltes und Nugget) und mittlerweile auch einigermaßen ausgeschlafen fühle ich mich mittlerweile wieder im Stande ein paar Sätze zu formulieren und den gestrigen Tag zusammen zu fassen.

Mein Ziel für diesen Tag war Matsuyama (so viele Orte mit "Matsu" im Namen in Japan...), dort war ich mit Kenta und seiner Frau, Miyuki, wenn ich mich richtig erinnere, verabredet. Die beiden sind Anfang 30 und haben Anfang des Jahres geheiratet. Sie fuhren mit dem Bus dorthin, 4 Stunden Fahrt von Kobe, und wir waren um 13 Uhr am Bahnhof von Matsuyama verabredet. Was für mich bedeutete, dass ich um pünktlich da zu sein, auch früh das Hostel in Kyoto verlassen musste. Gut geschlafen hab ich nicht wirklich, was weniger am Bett sondern an innerer Unruhe lag, aber pünktlich um halb 7 hab ich es geschafft aus dem Bett und in die Dusche zu steigen. Schnell ausgecheckt, ab zum Bahnhof, Ticket geholt, alles klar, voll im Zeitplan, auf geht's.

Nach viereinhalb Stunden Bahnfahrt war ich dann um kurz nach 12 Uhr in Matsuyama, mit 450.000 Einwohnern die größte Stadt Shikokus, angekommen. Meinen Rucksack hab ich erstmal in ein Schließfach eingeschlossen, einchecken in der Jugendherberge war eh erst ab 16 Uhr möglich. Ein bißchen Zeit hatte ich noch, also mal fix zur Post und endlich mal Postkarten abgeschickt (ich bin garantiert zu Hause bevor die ankommen). Danach in den großen Entertainmentkomplex vor dem Bahnhof. Und was finde ich da in der Spielhalle: juhu, ein "jubeat"-Automat! Für eine Runde reichts, da erhalte ich eine Mail von Kenta, sie seien schon da. Also wieder fix zurück zum Bahnhof.

Wir finden uns schnell, laufen aufeinander zu, die beiden fragen mich, wie es mit meinem Japanisch ausschaut, ich sage "Jooooaaa..." und ab da geht's fast nur noch auf Japanisch weiter. Mit Kenta kommuniziere ich normalerweise nur auf Englisch, aber beim gesprochenen Wort fehlt da etwas die Praxis und seine Frau spricht eh nur Japanisch. Aber wie sich im Laufe des Tages herausstellt, mein momentaner Wissensstand ist schon durchaus ausreichend.

Zunächst steigen wir in eine alte, rumplige Bimmelbahn, ähnlich wie die Straßenbahn in Hiroshima. Unser erstes Ziel ist Dougo Onsen. Das gilt als ältester Badeort Japans, mit gut 1300 Jahren Geschichte auf dem Buckel. Unterwegs erfahre ich von den beiden, dass das zentrale Badehaus, welches wir jetzt besuchen wollten, als Vorbild für das Badehaus in Miyazakis "Chihiros Dingenskirchen / Spirited Away" diente. Klar, dass es in der Souvenireinkaufpassage auch einen Ghibli-Merchandiseshop gibt. Übrigens kommt man momentan nicht drumherum, ständig das Titellied des neuesten Ghibli-Films "Ponyo von der Klippe" (oder so...) zu hören. Ich glaube derzeit Nummer 1 der Charts, ein Kinderlied ungefähr vergleichbar mit unserem Schnappi, mindestens genau so ohrwurmig/nervig. Ponyooo, Ponyooo...

Ebenfalls in Matsuyama allgegenwärtig ist Botchan, Hauptcharakter aus einem der bekanntesten Bücher des Schriftstellers Natsume Souseki. Das Buch spielt im Matsuyama des beginnenden 20. Jahrhunderts und der namengebende Hauptcharakter isst beispielsweise gerne dreifarbige Dango (kleine Klöße aus Reismehl, eins weiß, eins braun, eins grün), die man jetzt in Matsuyama als Souvenir kaufen kann. Und in dem berühmten Badehaus in Dougo Onsen war Botchan auch häufig Gast.

Also dann, auf ins Badehaus. Ein altes, mehrstöckiges Holzhaus, von innen tatsächlich wie das Badeaus aus dem Anime, nur wesentlich kleiner. Zunächst begibt man sich in den Aufenthaltsraum in ersten Stock, wo man sein Gepäck und ähnliches läßt und einen Yukata erhält. Danach geht es dann schön nach Geschlechtern getrennt eine Etage tiefer, in den Umkleideraum (bzw. Auskleideraum, um genauer zu sein). Also nackig gemacht, rein ins "Badezimmer" und das alte Prozedere, schön sauber machen und dann zum relaxen ins Gemeinschaftsbad. Wie immer, schöööön warm und schööön entspannend. Als Kenta und ich da also im Bad hocken, kommt ein älterer Herr zu uns und quatscht uns an. Na, wie geht's, schön hier, was? Oh ein Gaijin, wo kommt er denn her? Was, Deutschland? Und da packt er seinen einzigen Satz auf Deutsch aus: "Ich liebe dich!". Ah, sehr schön! Im weiteren Verlauf des Gespräches, in dem er sich auch dafür entschuldigt so viel zu schwatzen, er sei halt ein Plappermaul, stellt sich heraus, dass der gute Mann so gut wie jeden Tag dorthin ins Badehaus kommt. Würde ich glaube ich auch, wenn ich so etwas in der Nachbarschaft hätte.

Irgendwann haben wir genug Zeit im Bad verbracht (Hallo Kreislauf!), also wieder raus, kurz abgeduscht, getrocknet, in den Yukata geworfen und dann wieder nach oben in den Aufenthaltsraum. Dort haben Kenta und ich uns erstmal eine kleine Flasche Mikansaft (Mikan ist eine Art Mandarine) gegönnt, lecker! Danach unter einen Ventilator gehockt, abgekühlt und entspannt. Nachdem Miyuki dann auch noch zu uns gestoßen war, gab es ein Tässchen grünen Tee und Senbeikekse dazu. Ein Ründchen geplaudert (u.a. auch über Ponyo) und dann sollte es weitergehen zum Schloß von Matsuyama. Als wir zur Umkleide wollte, stellte Kenta fest, dass sein Schließfachschlüssel weg war. Im Rucksack gesucht, in allen Taschen, Fächern... nüscht. Ich ging schon mal vor, vielleicht hatte er den einfach am Schließfach stecken lassen - aber da war er auch nicht. Nachdem ich mich wieder angezogen hatte und nach oben zurückkam, schlug ich vor, doch nochmal im Rucksack nachzusehen - und voila, da war er doch, der Schlüssel. Glück gehabt.

Also wieder raus, zurück in die Bimmelbahn und dann Richtung Schloß. Da das gute Stück auf einem Berg liegt, hatten wir die Wahl entweder mit einer Kabinenseilbahn oder dem Sessellift nach oben zu fahren. Die Seilbahn brauchte aber noch eine Weile, bis zur nächsten Fahrt, also ab auf den Sessellift. Unterwegs, neben Aussicht auf die Stadt, die übliche Japansommergeräuschkulisse: das Kreischen der Zikaden. Oben angekommen gab es dann trotz mittelmäßigem Wetter eine gute Aussicht auf die Stadt, auf der einen Seite mit der Seto Inlandsee und auf der anderen Seite die dichtbewaldeten Berge, die einen Großteil Shikokus ausmachen. Endlich am Schloß angekommen, musste wir zu unserem Bedauern feststellen, das wir zu spät dran waren, es wurde gerade geschlossen. Schade.

Mittlerweile nagte der Hunger an uns und so lautete der einstimmige Beschluß: Essen gehen und zwar gab's Yakitori. Also alle möglichen Hähnchenteile in diversen Formen (und Farben), meist in Spießchenform. Klare Sache, das Bestellen überließ ich den beiden, ich hatte ja von nüscht ne Ahnung. Nachher standen dann auf dem Tisch neben simplen Hühnerfleisch/Frühlingszwiebeln-Spießchen so feine Kleinigkeiten wie Hühnermägen (ich war überrascht, lecker!) oder Hühnchen-Sashimi (also roh, geht auch, nur: Salmonellenalarm?). Dazu Bierchen und zum Nachtisch Mikaneissorbet. Gut gesättigt ging es dann zur letzten Aufgabe des Tages, dem Einchecken in die Jugendherberge. Dazu mussten wir erstmal wieder zurück zum Bahnhof und dann wieder zurück nach Dougo Onsen. Und dort musste ich (bzw. wir, Kenta samt Gattin begleiteten mich noch) dann "nur noch" eine steile Straße hoch. Welche Erleichterung, endlich das gelbe Gebäude der Herberge zu erblicken!

Drinnen wirkte alles sehr einladend und familiär, bevor es das übliche Eincheckprozedere erledigt wurde, ließen wir vom Herbergsvater noch ein Foto von uns dreien machen und dann verabschiedeten wir uns voneinander. Danach ging es für mich ab auf's Zimmer, ich war ziemlich kaputt. Noch Wäsche gewaschen und dann ab ins Bett.

Jetzt bin ich schon wieder im Shinkasen, auf dem Weg zurück nach Tokyo, wo ich die letzten beiden Tage verbringen werde. Allerdings stellt sich die Frage: wo schlafe ich? Das hab ich nämlich leicht verplant. Also heißt es für mich gleich nach Ankunft auf zur Touristeninfo und hoffen, das die ein einigermaßen akzeptables Zimmer für mich haben. Ansonsten penn ich halt mal im Kapselhotel. Irgendwo komm ich schon noch unter.

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