Die Japaner pflegen die Erinnerung an die Vergangenheit. Um genauer zu sein, suhlen sie sich gern in nostalgischen Gefühlen, was dann im Ausruf "Natsukashii!" (schwer zu übersetzen, das ist halt "Hach wie schön, das erinnert mich an die guten alten Zeiten!" in einem Wort) gipfelt. Bei denen, die heute dreißig Jahre und älter sind, bedeutet das vor allem die Erinnerung an die Showa-Ära. Die japanische Zeitrechnung richtet sich nach der Regierungszeit des Kaisers, die Showa-Zeit begann 1926 und endete 1989. Ungern erinnert man sich wohl an die Zeit vor 1945, die geprägt war von Nationalismus und Militarismus. Um so lieber denkt man zurück an die harte Zeit nach dem Krieg, die Jahre des Wiederaufbaus und des japanischen Wirtschaftswunders. Und so ist es nicht verwunderlich, das es ein Izakaya gibt, in dem man sich diesen nostalgischen Gefühlen beim ein oder anderen Bier hingeben kann.
Die "Hanbey" (半兵ヱ) Izakayas (zumindest das in Ueno, in dem ich mit Miho war) ist voll mit Erinnerungsstücken aus den 50er Jahren. Es gibt Separées, die eingerichtet sind, wie Wohnzimmer dieser Zeit. Auf den Uralt-Fernsehern laufen klassische Zeichentrickfilme und überhaupt ist alles urig und gemütlich (was aber meistens für Izakayas gilt). Und vor allem, und dafür ist man ja da, viele Klassiker der Nahrungsmittelindustrie.
Als ich zum Beispiel am Anfang von dem "ein oder anderen Bier" schrieb, ist das auch nur teilweise richtig. Da gibt es nämlich auch "Hoppy", was in dieser schicken Flasche kommt:
In der Zeit, als Hoppy auf den Markt kam (1948) war Bier für den "kleinen Mann" nicht erschwinglich, also ging man einen Umweg: Hoppy sieht zwar aus wie Bier, schmeckt auch (fast) so, hat aber keinen Alkohol. Den hat man dann einen kleinen Umweg hinzugefügt, in dem man einfach einen Longdrink draus macht und das ganze mit Shochu (dem typischen japanischen "Klaren") mixt.
Zu Essen hatten wir auch allerlei, von Standards wie Weisskohl (einfach mit Misosoße, gute Chipsalternative), Yakitori (Hähnchenspieße) und frittiertem Hähnchen. Das wurde dann auch im entsprechenden Geschirr gereicht:
Der Knaller war dann aber das Dessert. Während Miho sich eine "Überraschungstüte" mit klassischen Süßigkeiten kaufte (so wie die Tütchen, die wir uns früher beim Bäcker, beim Lädchen oder im Kiosk geholt haben... "Zwei Lakritzschnecken, zwei Wunderkugeln und fünf Esspapier!") konnte ich nicht wiederstehen und habe "Oppai Ice" bestellt. "Oppai"? Brüste, weibliche um genau zu sein. Was dann kam, sah dann so aus:
Milcheis, gefüllt in einen Gummischlauch. Am oberen Ende nuckelt man dann rum und das Eis kommt raus. Was dann in der Tat aussieht, als würde man an einer Brust nuckeln. Übrigens Vorsicht beim letzten Rest, der recht flott rausquillt...
Es war auf jeden Fall ein sehr lustiger Abend dort. Ich wär fast versucht, so einen Wirtschaftswunderladen bei uns zu Hause auch aufzumachen... irgendwelche Ideen, was man dort zu Essen und Trinken anbieten sollte?
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