Bisher hat sich der Winter in Tokyo von seiner milden Seite gezeigt. Die ersten zwei Tage als wir hier ankamen hat es zwar Bindfäden geregnet, aber danach fast zwei Wochen durchgehend heiter bis wolkig bei Temperaturen zwischen 8 und 15 °C. Gestern änderte sich das deutlich: in der Nacht hatte es zu regnen begonnen und als wir morgens um 10 Uhr beim Frühstück sassen, konnten wir beobachten, wie die Regentropfen langsam deutlich an Masse gewannen und auf einmal in Schnee übergingen. Und zwar Babyfaust große Schneeflocken. Am Anfang blieb noch nichts liegen, aber es dauert dann doch nicht mehr lange, bis sich eine geschlossene Schneedecke gebildet hatte.
Allen Wetterkapriolen zum Trotz wollte ich mich allein nach Akihabara aufmachen, eine Runde Spielhallen besuchen und vielleicht noch etwas einkaufen. Der Weg dahin war nicht so schwierig, per U-Bahn und Bahn kein Problem. Dort angekommen dann der gleiche Anblick: Schnee überall. Die Schneedecke war vielleicht 5 - 10 cm stark und eher matschig als fluffig. Ein Glück, dass ich mir vor der Reise ein Paar ordentliche Winterschuhe gekauft hatte, viele der anderen Menschen, die in Akihabara herumliefen, waren mit eher unpassendem Schuhwerk ausgestattet, sei es, weil sie der Wettervorhersage keinen Glauben geschenkt hatten oder weil es einfach nicht zum Outfit passte. Am schwersten hatten es da wohl die 20-jährigen, die gestern den "Seijin no hi" (Tag der Volljährigkeit) ihre Volljährigkeit gefeiert haben. Die liefen nämlich in (seeehr schicken) Kimonos rum und dazu gehören auch die Geta, quasi japanische Flip-flops, so ziemlich das unpassendste Fußwerk bei dem Wetter.
Mein Plan war es, sozusagen von Geschäft zu Geschäft zu hüpfen und sich damit immer nur kurz dem Schneegestöber auszusetzen. Grundsätzlich kein Problem. Erschwerend kamen aber der starke Wind hinzu, der immer matschiger werdende Schnee und der Umstand, einen Regenschirm dabei zu haben. Das bedeutet nämlich jedes Mal beim Betreten eines Ladens: Regenschirm schließen und ausschütteln und den geschlossenen Schirm dann in eine schmale, regenschirmlange Plastiktüte zu fummeln. Manchmal gibt es dafür praktische Maschinen, meistens durfte man das aber selber machen. Ganz wenige Geschäfte hatten auch einfach einen Schirmständer am Eingang, was zum einen die Fummelei ersparte und zum anderen eine freie Hand bedeutete. Nicht zu vergessen, dass die ganzen Plastiktüten am Ausgang dann wieder entsorgt wurden, hurra, noch mehr Plastikmüll! Ich hab meine Regenschirmtüte wenigstens ein paar mal weiterverwendet...
Als es um fünf Uhr dunkel wurde (es schneite immer noch), machte ich mich auf den Heimweg. Am Bahnhof angekommen, musste ich aber feststellen, dass die Bahnlinie, die ich für die direkte Verbindung für den Heimweg brauchte, auf Grund des heftigen Schneefalls den Betrieb eingestellt hatte. Und das war nicht die einzige Linie wo das der Fall war. Das müssen sich die Deutsche Bahn-geplagten Deutschen mal vorstellen: da stellt die japanische Bahn, gerühmt für Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, einfach mal komplett den Betrieb einer Bahnlinie ein. Das sollte sich die Deutsche Bahn mal erlauben, brennende Barrikaden würden an den Bahnhöfen errichtet, der wütende Mob wäre kaum zu bremsen.
Ich hab dann noch einen alternativen Weg gefunden (der Zug war natürlich rappelvoll), der allerdings noch etwas Fußweg bedeutete. Der mich aber auch irgendwann nach Hause brachte, wo warme Suppe und Bier warteten, juhu! In den Nachrichten war dann das ganze Ausmaß zu sehen, Verspätungen und Annulierungen von Bahn und Flügen wurden gemeldet, Staus auf den Autobahnen (meistens wohl verursacht durch unpassenden Bereifung oder verreckte Batterien), der Tokyo Skytree war nicht mehr zu sehen und überhaupt überall: Schnee, Schnee, Schnee...
Heute morgen waren die Dächer immer noch weiß, der Schneematsch an vielen Stellen gefroren, aber ich gehe mal davon aus, dass angesichts des blauen Himmels, der Sonnenscheins und Temperaturen Richtung 10°C der Spuk bald vorbei ist. Die Aussichten für die nächste Woche: weiter heiter bis wolkig... ob's das also schon war mit dem Winter?
4 Kommentare:
Was, wegen ausfallenden Bahnen direkt auf die Barrikaden und Aufstand? Ne, dann würden wir hier in Berlin wöchentlich den Ausnhamezustand proben. ;)
Hab auch nicht schlecht gestaunt, als ich den Schnee auf einigen Blogbildern geliebter Idols sah. Bei denen schwankte die Begeisterung dafür aber auch zwischen Hui und Pfui.
Sieht aber auch ziemlich matschig aus das Ganze.
Ach, Berlin... Ich spreche doch nicht von der 3. Welt ;-)
Solange man sich das ganze von der warmen Wohnstube aus ansieht ist es auf jeden Fall Hui, sobald man vor die Tür geht, eher Pfui...
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