18.8.08

I'm on a train

(Soundtrack zu diesem Eintrag: On a train von Eskobar)

Meine Zeit in Tokyo ist für's erste vorbei, jetzt beginnt die Nomadenphase, alle 2 Tage geht's woanders hin. Unterwegs im Zug bleibt mit immerhin die Zeit, mal in Ruhe zu tippen, in Tokyo war das angesichts der ständigen "Termine" etwas "stressiger".

Ich wollte ja noch vom gestrigen Tag berichten. Nachdem es hier ja ständig ziemlich heiß war (30°C+, auch nachts gab es wenig Abkühlung), gab es gestern einen regelrechten Absturz was die Temperaturen angeht. Fast 10°C kühler, mit 25°C also ziemlich erträglich. Leider hat es dazu auch fast ständig genieselt, wenn nicht sogar amtlich geregnet. Ausgerechnet bei diesem Wetter also machten sich Miho und ich also auf nach Kamakura, dort wohin der Tokyoter fährt, wenn er einen Tag am Meer haben möchte.

Aber nicht nur Strand gibt es dort, sondern auch eine Menge Tempel und Schreine, denn im 12. Jhd war Kamakura für kurze Zeit das militärische Zentrum Japans. Der damals dort herrschende Feldherr war ein Förderer des Zen-Buddhismus und so förderte er die Errichtung von religiösen Orten, die von aus China geflüchteten Priestern gegründet wurden. Im Reiseführer wurde zwar davor gewarnt, dort am Wochenende vorbeizuschauen, aber offensichtlich hatte das Wetter leicht abschreckende Wirkung. Es war zwar einiges los, aber nicht so schlimm, das man sich nicht alles in Ruhe ansehen konnte.

In Kamakura angekommen, machten wir uns erst einmal auf zum Hachiman-gu-Schrein auf. Links und rechts des Eingangs waren zwei Teiche angelegt, die voll mit riesigen Lotusblätter und -blüten waren. Schöner Anblick.

Auf dem Platz vor dem Haupt-Tempel/Schrein tummelte sich ein Schwarm Tauben. Und das war ein ziemlich abgezockter Haufen, nicht so schreckhaft wie bei uns, wo man nur "Buh!" machen muss und schon sind sie weg. Wesentlich schreckhafter zeigten sich da schon insbesondere die jungen Japanerinnen. Wenn sich der Schwarm auf ein paar Mädels zu bewegte, gab es immer ein großes Gekreische. Manchmal hob der ganze Schwarm dann auch ab und drehte eine Platzrunde, allerdings nur ganz knapp über die Köpfe der Besucher. Man konnte die Flügelschläge förmlich im Nacken spüren.

Wie ich später dann feststellte, sind die Tauben so etwas wie das Maskottchen von Kumakura. Es gibt Geschäfte voll mit Keksen, anderen Süßigkeiten und sonstigem Tinnef in Taubenform. Putzig.

Oben am Tempelschreinwasauchimmer angekommen, haben Miho und ich dann noch so eine Art Horoskop gezogen. Dazu schüttelt man ein Kästchen, in dem Holzstäbe stecken. Durch ein kleines Loch zieht man einen dieser Stäbe heraus, auf dem dann eine Nummer steht. Dann erhält man dann sein Schicksal/Horoskop aus dem Kästchen mit der entsprechenden Nummer. Ich hatte wohl den Jackpot und das "bestmögliche" gezogen. War übrigens auch verständlich, denn für die Gaijin gibt es das ganze dann auch auf Englisch (auf rosa Papier anstatt weißem...). Damit sich das Schicksal und die damit verbundenen Wünschen erfüllen, knotet man den zusammengefalteten Zettel dann an eine Art Wäscheleine.

Nachdem so also für eine gute Zukunft gesorgt war, machten wir uns auf Richtung Strand. Leider nieselte es noch immer lustig vor sich hin und der Himmel sah auch nicht danach aus, als würde es Anstalten machen damit aufzuhören. Am Strand angekommen bekamen wir erst einmal Livemusik zu hören. An einem der zahlreichen Buden der Strandpromenade spielte eine Band zünftige Surfmusik (dat Pulp Fiction-Dingens zum Beispiel). Trotz des relativ schlechten Wetters war einges los am Strand. Sauber aufgeteilt nach Schwimmer- und nicht-Schwimmer-sondern-stattdessen-Windsurfen-und-Jetski-Bereich. Der Sand am Strand ist übrigens ziemlich dunkel, ich gehe mal von vulkanischem Ursprung aus. Ziemlich weit entfernt von weißem Sandstrand.

Miho und ich stellten unsere Füße mal kurz ins Meer (warm ist anders...) und nahmen dann in einer der Strandbuden Platz für die Mittagspause. Mihos Mutter war so nett und hatte uns zwei Dosen Bier mitgegeben. Klar, der Deutsche muss ja immer Bier trinken. Ich hatte dann dort eine Portion Ramen und Miho ein ziemlich mickrige Portion Yakisoba (auch in Japan gibt es Abzocke).

So gestärkt machten wir uns dann auf den Weg zum Daibutsu, dem großen Buddha von Kamakura. Trotz eines kleinen Umwegs fanden wir auch den Weg dorthin. Uns erwartete eine ziemlich beeindruckende, über 10 Meter hohe Bronzestatue, die seit über 500 Jahren dort Wind und Wetter widersteht, nachdem ein Tsunami den um ihn herum errichteten Tempel fortgerissen hatte.

Man konnte sogar einen Blick in das innere des Buddha werfen, ich musste mich ganz schön bücken um mir am Eingang nicht den Kopf zu stoßen. Ach, und damit man im Inneren auch etwas sehen kann, hat der gute auch zwei Fenster im Rücken:

In einem Raum neben dem Buddha hingen auch "seine" Strohsandalen, in passender Schuhgröße versteht sich. Alle drei Jahre werden diese von Schulkindern neu geflochten.

Danach war es dann wieder Zeit für den Rückweg nach Tokyo. Da es noch recht früh am Abend war, beschlossen Miho und ich noch in einem Izakaya vorbei zu schauen. In der Nähe des Bahnhofs von Ueno gibt es da einiges zur Auswahl, Miho führte mich in ein Okinawa-Style-Izakaya. Man musste sich erstmal bücken, um überhaupt reinzukommen und dann, na klar, Schuhe aus. Das Interieur war ziemlich... erdig, im wahrsten Sinne, denn die Wände waren mit Lehm verkleidet. Aber sehr gemütlich und atmosphärisch. Da ich a) von der Küche Okinawas keine Ahnung habe und b) die Karte eh nicht lesen konnte durfte Miho dann die Auswahl treffen. Neben den Getränken (ich hatte irgendwas mit sowas-wie-Grapefruit-gibts-nur-in-Okinawa-Sour-Longdrink)gab es also diverse Kleinigkeiten zu essen. Mal sehen, was ich noch zusammenkriege... ein leckerer Eintopf mit Schweinefleisch, Lotus, Konyakku, und anderem Gemüse; Seetrauben (wie Trauben, nur aus dem Meer, eigentlich ohne viel Eigengeschmack, mit Soße aber lecker und erfrischend); Champloo (Tofu, Gemüse und Co); karamelisierte Bohnen; Soba... so viele diverse Dinge, aber alles sehr lecker.

Übrigens sehr unterhaltsam ist immer der Chor der Kellner, jedes Mal wenn jemand hereinkommt gibt es aus allen Kehlen ein herzliches "Irishaimase!", natürlich auch einen Abschiedsgruß, wenn man geht. Als wir unsere Getränke bekamen, wartete die Kellnerin im Hintergrund, dass wir uns zuprosteten, um darauf einen "Otsukare-sama deshita!" (Danke für die gute Arbeit) Chor anzuleiern. Im Laufe des Abends wurde plötzlich das Licht gedimmt und in einer Durchsage wurde mitgeteilt, dass der ehrenwerte Besucher an Tisch XY heute seinen Geburtstag feiert. Woraufhin die versammelten Kellner ein Geburtstagslied anstimmten, selbst Miho war davon überrascht und hat sich gekugelt vor lachen. Lichtjahre besser als dieses ewige Stevie Wonder-"Happy Birthday"-Runtergeleier.

Irgendwann war dann auch alles aufgegessen und ausgetrunken, Miho war müde (sie muss ja heute auch schließlich arbeiten) und so verabschiedeten wir uns. Ich machte mich zurück zum Hotel (und stellte unterwegs fest, dass ich mein kleines Handtuch im Izakaya habe liegenlassen...) und hab mal angefangen zu packen. Mit einer Dose "Edelpils" (von Sapporo, wird mit deutschen Braumeistern im Fernsehen beworben) vor dem Fernsehen endete dann der letzte Tag in Tokyo. In einer Stunde bin ich dann in Matsumoto, im Herzen der japanischen Alpen. Bergigen Ausblick gibt es auf jeden Fall jetzt schon.

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