30.6.11

Und um das Sommerloch: ein Bagel

Jedes Jahr das gleiche Problem: um im Sommer deine Zeitung vollzukriegen, musst du auch mal auf totalen Quatsch zurückgreifen. Und wer ist immer für totalen Quatsch gut? Na? Die Japaner natürlich! Der Bild-Zeitung geht es momentan wohl ähnlich und stellt auf altbekannte Art etwas total verrücktes vor: die "Bagelheads"! (Achtung! Link führt zu Bild!) Jungs und Mädels mit ziemlich fies aussehenden Beulen am Kopf! Der neueste Trend aus Japan! Wooooo, k-razy!

Nur: zum einen ist es kein wirklicher Trend, neu ist es auch nicht und aus Japan... naja, entstanden ist es zumindest woanders. Aber der Reihe nach: zum ersten Mal gingen die "Bagelheads" im Sommer 2009 durch's Internet. Das "Bizarre" Magazin berichtete über "extreme body modification", bei der sich ein paar japanische... Freaks Kochsalzlösung unter die Haut injizieren und damit die zuvor erwähnten Beulen am Kopf erzeugten. Die Fotos zu dem Artikel wurden dann vom "Fucked Gaijin"-Forum entdeckt, wo dann auch die Bezeichnung "Bagelheads" entstand (den das Bizarre Mag übrigens dann später in den Artikel übernahm, vorher stand da nix von Bagelheads). Das Ganze ging dann durch Blogs, Twitter, wasweissich und landete irgendwann dann auch in der Mainstream-Presse.

Danach war dann zwei Jahre mehr oder weniger Ruhe, bis das Vice Magazine letzte Woche ein Interview mit dem Fotografen Ryoichi "Keroppy" Maeda veröffentlichte. Der hat diese Methode der Körpermodifikation im Jahr 1999 auf einer Messe in Kanada zum ersten Mal gesehen und brachte im Jahr 2007 das Ganze nach Japan. Wo es halt, wie sicherlich im Rest der Welt, in der Körpermod-Szene gerne mal ausprobiert wird.
Auf jeden Fall wurde der Vice-Artikel natürlich flugs über Blogs und Twitter weiterverbreitet und mirnichtsdirnichts wird auch wieder einmal die Mainstreampresse darauf aufmerksam, die uns das dann als den neuesten heißen Scheiß verkauft. All diese Hintergrundinformationen kriegt man mit ner halben Stunde googlen heraus. Aber bei der Verbindung "Japan" und "crazy shit" setzen ja eh alle journalistischen Vorsätze aus, weil denen traut man ja alles zu. Was kommt als nächstes, nochmal die Geschichte mit dem Höschenautomat?

Was mir aber noch viel mehr auf den Nerv geht, ist das es momentan hunderttausend Themen in Japan gibt, über die es sich lohnen würde zu berichten. Wie läuft der Wiederaufbau im Nordwesten Japans? Wie geht es den Leuten in den Notunterkünften? Was läuft eigentlich momentan im Atomkraftwerk Fukushima? Wie gehen die Leute mit der Strahlenangst um? Wie profitiert die Yakuza von der Katastrophe? Und so könnte ich endlos weiter fragen. Die Antworten darf man sich selber zusammensuchen. Genau so wie die Wahrheit über einen jahrealten obskuren Trend einer Untergrundszene.

11.6.11

Vorher und Nachher

Drei Monate ist es jetzt her, dass das extrem starke Erdbeben Japan erschütterte und der anschließende Tsunami grosse Teile der nordöstlichen Küste überrollte. Über 15.000 Tote wurden mittlerweile gefunden, weiter 8.000 gelten noch immer als vermisst. Der Tsunami hinterließ ein riesiges Chaos an Land, Trümmer zerstörter Häuser, Autos, Schlamm und Dreck. In der Tagesschau eben hörte ich "Die Aufräumarbeiten kommen kaum voran". Doch wenn ich mir diese Vorher-Nachher-Vergleichsbilder ansehe, kann man nur sagen, dass hier bereits Unglaubliches geleistet wurde. Aber noch immer leben viele Menschen, vor allem ältere, in Notunterkünften. Es fehlen neue Häuser, trotz aller Bemühungen, schnell für Ersatzunterkünfte zu sorgen. Aber wie das nun mal so ist, bei einer Katastrophe solchen Ausmasses: wo soll man anfangen, wie mache ich womit weiter. Es bleibt noch immer extrem viel zu tun.

Viel zu tun gibt es natürlich auch noch in den Reaktoren von Fukushima Daiichi. Von dort wechseln sich positive und negative Meldungen ständig ab. Kaum ist ein Kühlkreislauf erneuert, hört man von einem Arbeiter, der bewusstlos zusammenbricht. Man schafft es endlich, ins innere der zerstörten Reaktorgebäude blicken zu können, aber - wie zu erwarten - stellt dann fest, dass es noch schlimmer ist, als erwartet. Aber klar ist auch: die Sorge in der japanischen Bevölkerung wächst jeden Tag. Und so finden sich immer mehr Leute bei Demonstrationen ein, die vorher nie an öffentlichen Protesten teilgenommen haben. Bei der heutigen Großdemonstration in Tokyo spricht der Veranstalter von 20.000 Teilnehmern.


Die Frage, ob es irgendwas bringt, stellt sich hier natürlich auch. Aber man sieht es ja hier in Deutschland: wenn der Unmut der Bevölkerung groß genug ist, werden auch mal Politiker aufmerksam. Aber bis das soweit ist, hat Japan noch einen sehr langen Weg vor sich.