9.9.08

Take me back to Tokyo

Weit, weit unter mir liegt Sibirien und noch einige Stunden vor mir liegt die Ankunft zu Hause. Die drei Wochen sind schon wieder vorbei, viel zu schnell natürlich. Die letzten Tage vergingen wie im Fluge, was unter anderem daran lag, dass ich einen Tag davon (vorgestern) fast komplett im Shinkansen verbringen durfte. Wie bereits schon einmal erwähnt, hat es mal wieder schwere Regenfälle in Teilen Japans gegeben, schon öfter in den Tagen davor und auch gestern wieder. Ich weiß nicht genau, ob das vielleicht Taifunausläufer sind, auf jeden Fall kommt da so einiges runter und dadurch dann Straßen überflutet und Hänge zum Rutschen gebracht. Letzteres ist auf meiner Strecke glücklicherweise nicht passiert, es gab einfach "nur" zu viel Regen.

Mein geplanter Tagesablauf war dadurch allerdings gehörig durcheinander gebracht. Ursprünglich hatte ich vor nach meiner Ankunft in Tokyo die Touristeninformation aufzusuchen, da man mir dort laut Reiseführer bei der Suche nach einer Unterkunft helfen könne. Dummerweise kam ich durch die unwetterbedingte Verspätung erst um halb sieben in Tokyo an - und die Touristeninfo macht schon um 17 Uhr zu. Tja, was jetzt tun? Ich beschloß erstmal, wieder nach Ueno zu fahren, mein Gepäck in einem Schließfach zu lagern und auf eigene Faust nach einer Unterkunft zu suchen. Zuerst wollte ich zu dem Hostel, bei dem ich die beiden Male vorher schon untergekommen war, auch wenn ich schon wusste, dass die so gut wie ausgebucht sind.

Auf dem Weg dorthin fiel mein Blick in eine Seitenstraße... wobei in Ueno Seitenstraßen schon mal etwas schmierig wirken bzw es auch sind, mit "Massage"salons, Saunas und ähnlichen Etablissements. Aber das war mir jetzt wurscht, ich wollte ein Bett, also versuchte ich es beim nächstbesten kleinen Hotel. Übrigens mit dem Namen "Hotel Matsumoto", ich glaube nach Matsuyama, Matsushima, Matsue und TakaMatsu hab ich bald so ziemlich alles durch, was mit Matsu so geht. An der Rezeption saß eine ältere Dame, ich fragte nach einem Zimmer und siehe da: ja, sicher, kein Problem. Mit 6500 Yen (so 40 Euro) sicher nicht die günstigste Unterkunft, aber das war mir jetzt auch wurscht, hauptsache ein Zimmer.

Das Zimmer war für Tokyoter Verhältnisse schon fast riesig, gleiches galt für das Bett, welches ausgesprochen bequem war. Der Rest war schon alles etwas älter, aber es war alles sauber und alles was man so brauchte auch da. Teilweise kam ich mir allerdings wie ein Riese vor, die Türen ziemlich niedrig, wie auch die Toilette und das Waschbecken. Unschlagbar war natürlich das es direkt um die Ecke vom Bahnhof von Ueno lag.

Als das also dann geklärt war, traf ich mich mal wieder mit Miho, diesmal gab's ein Izakaya mit fischigen Spezialitäten. Ich weiß schon gar nicht mehr was alles, aber wie immer, alles sehr lecker. Danach noch mein Gepäck aus dem Schließfach geholt und zurück zum Hotel. Und geschlafen.

Der letzte volle Tag war von Shopping bestimmt, erstmal bin ich nach Shibuya, wo ich ein Café mit Hotspot suchen wollte. Aber ich war ziemlich früh dran, wenig hatte geöffnet, die Straßen waren gefüllt mit all den Büromenschen, die auf dem Weg zur Arbeit waren. Die Geschäfte öffnen in Tokyo oft erst um 10 Uhr, teileweise sogar erst um 11 Uhr. Da noch einige Zeit bis dahin war, bin ich dann mal zu Fuß Richtung Harajuku spaziert. Unterwegs stieß ich auf den feuchten Traum für alle T-Shirt-Fans, der UT-Shop (die Uniqlo-T-Shirt-Marke). Auf drei Etagen die aktuellen Kollektionen. Die Shirts sind dabei ähnlich wie Milch im Supermarkt in Regalen untergebracht, in Röhren mit Schraubverschluß, sieht fast aus, als würde man radioaktives Material oder so etwas kaufen. Und jedes Shirt dann auch noch nur 1500 Yen. Klarer Fall, ohne Shirt komm ich da nicht raus. Drei sind es am Ende geworden...

Nachdem ich mich ein wenig in Harajuku herumgetrieben habe, beschloß ich mal im "Wired Café" im KDDI Design Showroom vorbei zu sehen. Im untersten Stockwerk wurde dort eine neues Designprojekt in Zusammenarbeit mit Yamaha vorgestellt: Mobiltelefone, mit denen man auch Musik machen kann. Zum Beispiel ließ sich eines zweiteilen und war dann als "Luftschlagzeug" zu benützen. Oder eines, welches die Tasten durch Saiten ersetzte. Manche Sachen waren etwas zu weit draußen (gedanklich), wie zum Beispiel der Mundharmonikaaufsatz, aber ich würde schon einiges dafür geben, würde der ein oder andere Prototyp tatsächlich einmal auf dem Markt erscheinen.

Ein paar Stockwerke darüber, nicht minder interessant, das Projekt "Ply", ein Mobiltelefon mit mehreren Schichten. Geniale Idee und hoffentlich irgendwann auch mal "in echt" in der Hand zu halten.

Im obersten Stockwerk lag dann also das "Wired Café", wo es dann auch frei verfügbares WLAN gab, siehe meinem dort gemachten Eintrag. Es gab lecker Curry mit Reis, es sah nicht nur gut aus, auch sonst stimmte alles. Was halt nur ein bißchen ätzend ist, ist das es die Japaner mit Rücksicht in Bezug auf Rauchen in Restaurants nicht so ganz drauf haben. Es wurde lustig gequalmt, was man als Deutscher ja schon fast nicht mehr gewohnt ist. Aber ist halt auch so ein Refugium für japanische Raucher, die auf offener Straße nur an bestimmten Ecken rauchen sollen und sich brav daran halten. So sieht man also häufiger schmachtende Grüppchen, die sich um einen der seltenen Aschenbecher versammelt haben um dort schnell mal eben eine Kippe durchzuziehen.

Nach dem Essen kurz weiter, bei Graniph vorbei, die Takeshita-dori hoch, vorbei an all den shoppenden Schulmädchen, die Omotesando wieder runter und einen Abstecher im Spiral Building in Aoyama. Dort gibt es, neben einem kleinen, aber sehr gut sortierten Plattenladen immer interessante und kostenlose Ausstellungen. Diesmal eine Fotoausstellung mit beeindruckenden Landschaftsaufnahmen, ich habe leider vergessen, wie der Fotograf heißt.

Danach wollte ich mich mal Richtung Roppongi aufmachen. Kein Problem, dachte ich, da hinten ist ja Roppongi Hills und da ist Tokyo Midtown zu sehen, ist ja nicht so weit. Also frohen Mutes los spaziert. Dumm nur: die Straße die ich genommen hatte machte ein Kurve, die sich iiiiimmer weiter zog. Und so waren die beiden genannten Hochhäuser irgendwann schon fast hinter mir als vor mir. Als an der nächsten Ecke wieder links ab. Da ging es aber auch nur parallel dazu weiter. Immer am Friedhof von Aoyama entlang, offensichtlich einer der größeren der Stadt. Irgendwann hab ich dann einen Weg gefunden, es ging quer durch den Friedhof und noch ein paar kurvige Straßen, berg hoch und ich hatte endlich Roppongi Hills erreicht.

Nach der ganzen Lauferei, es war auch noch schön warm geworden, musste ich mich erstmal ne Runde auf die Bank hocken und die ständig mit feinstem künstlichen Nebel gekühlte Luft genießen. Noch angenehmer war es dann in Roppongi Hills, ist ja schließlich alles ordentlich klimatisiert. Für angenehmeres Shopping noch meine Tasche in einem Schließfach deponiert und anschließend den Museumsshop des in Roppongi Hills beheimateten Mori Museums besucht. Eine Zeitschrift und einen Bildband reicher verließ ich den Laden und weiter ging es zur Filliale des "Aoyama Book Center". Eigentlich wollte ich dort nach der Zeitschrift "Ootona no kagaku" schauen, eine Art Yps-Heft für Erwachsene. In der aktuellen Ausgabe zum Beispiel gibt es den Bausatz für einen Analogsynthesizer. Andere Ausgaben von Interesse: eine Stereolochkamera, ein Minitheremin oder die Lochkartenorgel. Leider erfolglos, nichts davon war dort zu finden.

Was es aber gab ist die für mich immer verführerische Holga/Lomo-Ecke, wo es diverse Kameras alles Art gibt. Von gesteigertem Interesse war dieses Mal für mich das Modell "Diana" von Lomo, ein Remake einer ollen russischen Plastikkamera, mit lustigen Spielereien wie Langzeitbelichtung und Panoramafunktion. Na wie auch immer, weil es keine Filme dazu zu kaufen gab (das gute Stück wird mit 120er Rollfilm gefüttert) und weil die doofe Vernunft doch wieder siegte hab ich sie dann doch nicht gekauft. Worüber ich mich jetzt natürlich ärgere. Nächstes Mal!

Kurze Zeit später war dann wieder Treffen mit Miho angesagt. Da ich mittlerweile ziemlich hungrig war, hieß die große Frage also: wohin? Ich schlug mal Midtown vor, trotz der Befürchtung, dort vor lauter Luxusläden nichts zu finden, was auch einigermassen preiswert ist. Nach einer Weile, in der wir an den Schaufenstern vorbeizogen und all die feinen Leckereien bewunderten, landeten wir in einer Art SB-Restaurant. Schon gewöhnungsbedürftig, nach den Wochen der zuvorkommensten Bedienung und Betüddelung selber sein Tablett mit Essen durch's Restaurant tragen zu müssen. Die Auswahl an Gerichten war auf jeden Fall ziemlich vielfältig, für mich gab's Udon. Dazu gab es von der Bar einen Cocktail, passenderweise waren wir gerade zur Happy Hour eingetroffen, was natürlich ausgenutzt werden musste. Übrigens erhielt man bei seiner Bestellung an der Essenstheke eine Art Pieper, der Alarm schlug, sobald das Essen fertig zur Abholung war. Lustige Sache.

Nach dem Essen wanderten wir noch ein bißchen durch Midtown, fanden Bionade (Flasche für 360 Yen, so 2 Euro) und bewunderten einen Laden für Süßigkeiten, die zum Tee gereicht werden. Kleine Kunstwerke teilweise, viel zu schaden zum Essen. Daneben was es sonst noch so für eine ordentlich Teezeremonie braucht, sehr schickes Geschirr und natürlich: Tee. Irgendwann wurd es dann doch zu viel vom Luxus, wir wollten weiter, noch etwas trinken. Wie üblich in ein Izakaya, aber die die wir uns in Roppongi aussuchten, waren bereits schon voll besetzt. Nun gut, keine Wunder, Freitag abends um 19 Uhr. Also wieder zurück nach Ueno, da hatten wir es beide auch einfacher später wieder flugs heimzukommen.

In Ueno angekommen hatte es mittlerweile begonnen heftig zu regnen. Gut, dass es direkt gegenüber vom Bahnhof genug Auswahl an Izakaya gibt. Im ersten, mit Okinawaküche, hatten wir auch - mehr oder weniger - wir mussten kurz draußen warten und bekamen dann auch noch Plätze. Gemütlich war's, lecker natürlich auch und draußen tobte derweil ein extrem lautes Gewitter. Meine Herren, was für Donnerschläge! Zum Abschluß gönnten wir uns noch ein Glas Shochu, japanischer Schnaps. Die Auswahl war gar nicht so einfach, auf der Karte war ein Koordinatensystem aufgedruckt, dass die diversen im Angebot befindlichen Sorten nach "süß", "trocknen", "stark" und "schwach" einordnete. Der Shochu, den Miho zuerst rausgepickt hatte, war allerdings etwas sehr teuer, wenn ich mich recht erinnere sollte ein Glas davon 6000 Yen kosten, also so 35 Euro. Wir (bzw. Miho...) fanden dann doch etwas preiswerteres. Ist so ein bißchen wie Whiskytrinken, nur ... klarer.

Als wir dann ausgetrunken hatten wollte die Belegschaft eh so langsam schließen, also bezahlt, sich die Schuhe rausstellen lassen (klar, musste man vorher ausziehen) und wieder raus; wo es glücklicherweise mittlerweile aufgehört hatte zu regnen. Tja, und dann folgte der Abschied... ein schmerzlicher, aus vielerlei Gründen. Tja, das war er dann mal wieder, der letzte Tag in Tokyo. Nächster Termin: vielleicht schon im Winter? Eisern sparen ist angesagt...

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