17.2.08

Das philosophische Schaufenster

Nicht nur Sushi ist mittlerweile weltweit im Mainstream der Konsumenten angekommen (zu diesem Thema gab es neulich im Magazin der Süddeutschen Zeitung einen interessanten Artikel) auch die ursprünglich aus China stammenden Kanji sieht man häufig auf T-Shirts, Tattoos und Schaufenstern. Und meist läuft es darauf hinaus, dass dann die Kanji auf dem T-Shirt auf dem Kopf stehen, irgendetwas völlig sinnloses draufsteht (etwas, was die Japaner mit Engrish oder Shirts wie diesem perfektioniert haben) oder komplett ausgedachte Zeichen auf's Poster gedruckt werden. Hauptsache es sieht halt exotisch aus.

Ich komme zum Beispiel jeden Tag an einer kleinen Boutique vorbei, die vor ein paar Tagen in ihrem Schaufenster folgendes aufgehangen hat:

Wenn man sich auf den Kopf stellt und mit ein bisschen guten Willen stellt man fest, dass es sich hierbei tatsächlich auch um Kanji handelt (zumindest beim untersten relativ deutlich). Vermutlich wurden die Kanji von dem kleinen Würfel abgemalt, der daneben im Schaufenster steht (natürlich auch auf dem Kopf):

Erkennen konnte ich die Zeichen 恕 (verzeihen, tolerieren), 華(Blume, Glanz, "Glamour"), 信 (Glaube) und 慈 (Gnade). Also wohl eher einfach nur wegen des Aussehens gewählt.

Das das aber auch besser geht, zeigt dieses Schaufenster des Modehauses "Ansons" mit dem man wohl die Jugend ansprechen möchte, schließlich ist Manga ja auch mittlerweile ziemlich beliebt:
Auf dem Zettel stehen übrigens die Zeichen für "Musik". Richtig interessant wird es dann auf dem Schaufenster daneben:

Der Satz auf dem schwarzen Balken "案ずるより産むが易し" ist ein Sprichwort das "Die Angst etwas zu tun ist größer als die Gefahr, die drohen könnte" oder "Die Herausforderung ist oft leichter als erwartet" oder ganz einfach: "Versuch macht kluch" *hust*

Als ich nach dem Satz auf dem Zettel rechts daneben gesucht habe, hat mich gleich eine Exkursion in die japanische Geschichte und buddhistische Philosophie erwartet. Der Satz "心頭滅却すれば火もまた涼し" bedeutet "Wenn man seinen Geist von allen irdischen Gedanken frei macht, wird auch das Feuer kühl sein." und stammt vom buddhistischen Priester Kaisen Joki. Dieser lebte zur Sengoku-Zeit (Zeit der streitenden Reiche, 1477 - 1573) und wurde durch den Fürsten und Kriegsherrn Takeda Shingen gefördert. Als nun Takedas Widersacher Oda Nobunaga (der unter anderem die Macht der buddhistischen Mönche brechen wollte) das Kloster Kaisen Jokis angriff und in Flammen setzte, sagte der Oberpriester zu seinen Mönchen eben jenen Satz, um ihnen die Qual des Verbrennen bei lebendigen Leib zu erleichtern. Ich gehe mal davon aus, das die Schaufensterdekorateure nicht wirklich wissen, was sie sich da ins Fenster gehangen haben.

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