14.2.13

Fenster mit Aussicht

Auf Grund des vergleichsweise schmalen Reisebudgets (auch unter Berücksichtigung des aktuell günstigen Yenkurses) sind bei diesem Japanaufenthalt keine großen Reisen außerhalb Tokyos drin. Aber allzuweit weg von Tokyo muss man ja auch nicht, um mal etwas anderes als Großstadt zu sehen. Und so verschlug es uns für einen Besuch eines Freundes in die benachbarte Präfektur Yamanashi, rund anderthalb Stunden per Zug außerhalb von Tokyo. Yamanashi ist vor allem bekannt für leckeres Obst, vor allem Pfirsiche und Trauben (und den aus den Trauben hergestellten Wein). Dementsprechend gibt es viel Landwirtschaft und (zumindest im Vergleich mit Tokyo) viel Natur.

Nach unserer Ankunft am Bahnhof Enzan hatten wir noch etwas Zeit totzuschlagen, bis wir von Hajime (besagtem Freund) abgeholt wurden. Praktischerweise gab es direkt auf der anderen Straßenseite in einem alten (ich vermute mal) Bauernhaus eine große Hina-ningyo-Ausstellung. Das sind Puppen, die zum Mädchenfest "Hinamatsuri" aufgebaut werden. Genauer gesagt ein ganzer Hofstaat von Puppen, ganz oben Kaiserin und Kaiser, darunter Dienerinnen, Wachen, Musiker und anderes.

Meine Frau hat auch so einen Satz (der sündhaftteuren) Puppen, unsere Tochter bekommt jetzt auch ihre. Bei der Ausstellung gab es also Puppen verschiedener Epochen zu sehen, zum Beispiel diese...

oder diese...

Zufälligerweise konnten wir uns auch noch ein kurzes Koto-Konzert (Koto ist die japanische Zither) anhören, bei dem ein traditionelles Hinamatsuri-Lied gespielt wurde.

Nachdem wir uns genug von den Puppen angesehen hatten, ging es noch in die benachbarte Kinderbibliothek. Dort gab es auch einen Tatamiraum, in dem Babies und Kleinkinder herumkrabbeln und sich jede Menge Bilderbücher ansehen konnten. So verging die Wartezeit dann auch im Fluge bis wir dann von Hajime abgeholt wurden. Auf dem Weg zu seinem Haus (bzw. dem seines Vaters und ihm) besuchten wir noch den Tempel Erin-ji, der nicht nur ziemlich groß ist und einen schönen Garten hat, sondern auch noch das Grab des bekannten Samurai bzw. Daimyo Takeda Shingen beherbergt.

Danach ging es weiter in die Berge, bis zum Haus von Hajime. Sein Vater hatte ein altes Haus in der Präfektur Niigata gekauft, dies abbauen lassen, zu seinem jetzigen Standort in Yamanashi verfrachten lassen und baute es dort mit seinem Sohn und einigen Experten wieder auf, moderner und schicker versteht sich.

Warum dieser Umzug? Ein Blick aus dem Fenster genügte: zur Aussicht ins Tal kam am Horizont noch der Gipfel des Fuji-san hinzu. Je nach Wetterlage sah das wirklich wie ein Ukiyo-e-Bild aus...

Im Zuge der Modernisierung wurde das ganze Haus auch mit Fenstern mit Doppelverglasung (die guten aus Deutschland!) versehen. Was aber nicht viel half: so schick das ganze Haus auch was, es war saukalt, ich glaube so 12 Grad. In der Küche gab es immerhin Fußbodenheizung und im Wohnzimmer stand eine große Heizung, die aber nicht wirklich viel brachte, weil alle (sehr großzügigen) Zimmer irgendwie miteinander verbunden sind. Allerdings ist das Haus auch noch immer im Bau, vielleicht wird das bis zum nächsten Winter auch noch behoben. So saßen wir also alle mit Daunenjacken beim Abendessen, aber gute Laune herrschte dank warmem Eintopf, Bier und Wein aber trotzdem. Und dank einem Bad vor dem Schlafen gehen und dicken Decken hat sich im Bett auch keine Frostbeulen geholt.

Am nächsten Tag stand dann noch ein Besuch im Onsen (von heißen Quellen gespeiste Bäder) an. Von denen gibt es in der Gegend einige, aber als wir beim ersten ankamen, hatte das gerade Ruhetag... also auf zum nächsten, einen Berg hoch, vorbei an einem Hotel und einem "Fruitspa". Und der Weg darauf hatte sich so was von gelohnt! Ein Rotenburo (Bad unter freiem Himmel) wieder man mit Blick auf den Fuji-san. Wohl laut japanischer Reiseseiten das Bad mit der besten Aussicht. Dem will ich mal nicht widersprechen. Kein Wunder, dass Leute da schon morgens zum Sonnenaufgang auf der Matte stehen für ein Bad mit Aussicht.

Zum Abschluß der Reise gab es noch eine Spezialität der Gegend, Hôtô-Udon, ein Nudeleintopf mit dicken Nudeln und viel Gemüse, vor allem Kürbis, in Miso-Suppe. Sehr lecker, sehr sättigend. Genug für die Rückreise ins laute, bunte, hektische Tokyo. Wenn man Glück hat, kriegt man da auch mal den Fuji zu sehen. Aber nicht annähernd so schön, wie der, den wir in den zwei Tagen in Yamanashi zu sehen bekamen. Da zeigt sich wieder: wozu in die Ferne schweifen...

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