15.1.16

Wird das japanische Fernsehen global(er)?

Schöne neue Fernsehwelt. Legale Streamingangebote gibt es mittlerweile fast im Dutzend, neueste Serien und Filme gibt es im Original zeitnah auch ohne große Tricksereien für uns in Deutschland zu sehen (selbstverständlich mit Ausnahmen) - wo man sich vor ein paar Jahren noch per Torrent per illegaler Quellen alles mehr oder weniger mühsam zusammensuchen musste, kriegt man jetzt vieles für kleines Geld frei Haus. Das gilt natürlich vor allem für amerikanische und britische Produktionen. Wer Interesse an japanischen Filmen oder Fernsehsendungen hat, der guckt (noch) in die gute alte Röhre.

Zwar hat es NHK World mittlerweile geschafft, einige Sendungen "on demand" zum Stream anzubieten, aber sonst sind die Möglichkeiten japanisches Kino und TV legal und ohne Umwege zu genießen äußerst dürftig. Zumindest nach meinem aktuellen Wissenstand, über Hinweise freue ich mich immer. Ich habe beispielsweise einmal bei "werstreamt.es" nach Filmen von Akira Kurosawa und Takeshi Kitano gesucht. Das Ergebnis: je drei Filme, die über iTunes ausgeliehen werden können. In beiden Fällen auch nicht gerade die "Klassiker" der genannten Regisseure.

Hoffnung macht jetzt, dass Netflix mittlerweile auch nach Japan expandiert ist und dort auch exklusiven Inhalt produzieren lässt (danke an @F_Deutschland für den Hinweis!). Das schöne dabei: das erste Ergebnis kann auch im deutschen Netflix Angebot angesehen werden. Gut, "schön" ist jetzt vielleicht etwas hochgegriffen: die erste Exklusivproduktion, die in Zusammenarbeit mit Fuji TV entstand, heißt "Underwear" (bzw. in Deutschland "Atelier") und ist ein klassisches J-Dorama. Junges, unerfahrenes Mädel kommt in die große Stadt (natürlich Tokyo), um da in der Modebranche zu arbeiten. Alles im typischen Lowbudget-Telenovelalook mit der ordentlichen Prise Overacting. Das klassische Dorama-Format ist ja schon Netflix-kompatibel, 10 - 13 Episoden und dann ist die Geschichte zu Ende erzählt. Mehrere Staffeln sind eher selten, ideal zum "binge watchen" also.

"Atelier" ist also wie gesagt auch in Deutschland verfügbar, samt Originalsprache und Untertiteln. Ich bin mal gespannt, was da in Zukunft noch an japanischen Inhalten ins deutsche Netflix schafft, vielleicht ja auch mal ein Film? Animes gibt es ja auch schon der einen oder anderen.

Bisher gehen wir im Alltag zu Hause den "Grauzonen"-Weg und schauen japanische TV-Sendungen, die auf Videoportale wie zum Beispiel Dailymotion oder FC2 hochgeladen wurden. Die haben allerdings meist miserable Qualität, sind auf Briefmarkenformat geschrumpft oder in hundert Abschnitte aufgeteilt. Eine neue Möglichkeit, mit Umweg über ein VPN (ich nutze momentan TunnelBear) an relativ aktuelle Inhalte in hoher Auflösung zu kommen ist "TVer". Dort haben sich einige private Fernsehsender zusammengeschlossen und stellen relativ kurze Zeit nach Ausstrahlung Sendungen zum kostenlosen Streamen ins Netz. Gut, sonderlich aufregend ist die Auswahl nicht, das ein oder andere Dorama ist dabei, Nachrichten und die üblichen Varietyshows. Ich freue mich über "吉田類の酒場放浪記" ("Yoshida Ruis Kneipentournotizen"), in der ein älterer Herr in jeder Episode ein Izakaya aufsucht, dort trinkt und isst, mit Wirt und Gästen schäkert und am Ende mal weniger, mal mehr beschickert in die Nacht taumelt. Weckt jedes mal die Sehnsucht nach einem amtlichen Izakaya bei mir...

Wie man sieht, langsam, gaaaanz laaaangsam, bewegt sich die Galapagosschildkröte Japan in Richtung digitaler Zukunft. Ich hoffe, die Ankündigung von Netflix "global TV" machen zu wollen, gibt dem ollen Tier nochmal ordentlich Schub.

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