7.1.13

Urlaub im Urlaub

Als ich einigen Leuten davon erzählte, dass wir für einige Zeit die Schwiegereltern in Japan besuchen, fragten die zurück, wie das denn mit der Strahlung sei, ob ich mir da keine Sorgen mache. Auch wenn Tokyo "nur" 250km vom Unglücksreaktor Fukushima Daiichi entfernt ist, sind meine Bedenken diesbezüglich allerdings gering. Die durch die Explosionen verursachten radioaktiven Partikel sind schwerpunktmäßig Richtung Nordwesten gezogen, also in die von Tokyo entgegengesetzte Richtung.

Warum ich das erzähle? Weil es mit der ganzen Familie nach Nasushiobara ging und das liegt in Norden der Präfektur Tochigi - die direkt an die Präfektur Fukushima grenzt. Also noch näher an "die Strahlung". Aber das Thema fand während der Reise nur einmal Erwähnung: als wir an einer Raststätte ein Schild sahen, an dem regelmäßig die aktuellen Strahlenwerte eingetragen werden. Bzw. wurden, denn der letzte Eintrag war offensichtlich schon etwas länger her und nicht mehr zu lesen. Vermutlich hat man es irgendwann einfach drangegeben, jeden Tag / Woche / Monat die gleichen (niedrigen) Werte einzutragen.

Wie auch immer: Ziel der Reise war Shiobara Onsen, einer dieser Orte, die von heißen Quellen und den davon angelockten Badegästen leben. Das Hotel, in dem wir untergebracht waren, ist eine Art "Familienhotel". Als wir nach rund halbstündiger Fahrt mit dem Shuttlebus vom Bahnhof am Hotel ankamen, ging es zum Check-in erstmal in die Lobby... wo vermutlich schon ein paar Dutzend andere Familien gerade angekommen waren und erstmal einchecken mussten. Es wurde heiße Suppe zur Begrüßung gereicht, verkleidete Angestellte kündigten diverse Veranstaltungen an, Kinder liefen kreuz und quer - kurz gesagt, es ging ziemlich lebhaft zu.

Nach dem Check-in ging es erst mal auf die Zimmer, wofür wir in ein anderes der insgesamt drei Gebäude gehen mussten. Das ganze Hotel hatte sein allerbesten Tage schon hinter sich, ich gehe mal schwer davon aus, dass es auf dem Höhepunkt der japanischen Bubbleeconomy Ende der 80er / Anfang der 90er gebaut wurde. Aber wir auch immer, das Zimmer war geräumigst, die Betten okay und die Klobrille beheizt.

Zum Abendessen ging es dann in den Essenssaal. Der wirkte aber eher wie eine Unimensa oder die Kantine eines Riesenkonzerns. Es gab ein Buffet mit Riesenauswahl, typisch japanisches wie Sushi, Sashimi und Reis, eine Salatbar, Steaks, Desserts und und und. Klar, wenn für so eine Riesenmenge an Menschen gekocht wird, ist es mit der Qualität nicht unbedingt zum allerbesten bestellt, aber es ging schon alles durchaus in Ordnung.

Beim Frühstück übrigens das gleiche Spiel, auch mit so ziemlich allem, was man sich so an Essbarem zum Frühstück vorstellen kann. Wieder mit Anstehen und irgendwann in einer riesigen Menschenmenge Platz nehmen.

Am nächsten Tag haben wir uns dann einen Kleinbus ausgeliehen und sind ein bißchen durch die Gegend gekreuzt. Zunächst ging es mal zu Aeon, einem Supermarkt, um noch ein paar Besorgungen zu machen. Interessant fand ich da vor allem die Einkaufswagen für Kunden mit Kleinkind. Vorne sah das aus wie ein Buggy mit Schalensitz, hinten gab es Platz für einen Einkaufskorb. Die würde ich auch in Deutschland gerne sehen, aber scheinbar brauchen wir ja immer die Riesendinger für den Monatseinkauf...

Weil es inzwischen schon Mittag geworden war, war natürlich auch Zeit zum Essen. In einem Restaurant das Teil einer ... ich würde mal sagen "Vergnügungsfarm" (also ein Bauernhof mit jeder Menge Kinderbespaßung) ist, gab es "Dschingis Khan"-All you can eat, ein Gericht, bei dem Weißkohl, Sojabohnensprossen, Frühlingszwieblen und Lammfleisch auf einem gewölbten Eisen gegrillt wird. Und weil's so viel Spaß macht, grillt man auch selber am Tisch. Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn wenn man mit der Temperatur nicht aufpasst, verkohlt einem das halbe Gemüse. Wie auch immer: lecker Essen!

Nach dem Abendessen an diesem Tag machte ich mich dann mal auf ins Bad. Also nicht in das Badezimmer in unserem Zimmer, sondern zu dem von heißen Quellen gespeisten, das für alle Hotelgäste zugänglich ist. Der Weg dahin war allerdings wahrlich nicht einfach: vom dritten Stock, wo unser Zimmer war, rauf in den fünften Stock, wo der Verbindungsgang zum Hauptgebäude war. Dort war ich dann im ersten Stock, von da musste ich dann runter ins Untergeschoß, wo der Verbindungsgang zum "Wellnessgebäude" zu finden war. In dem Gebäude kam ich dann im vierten Stock an... und musste erst mal (wie alle) meine Schlappen ausziehen, denn in dem Gebäude ging es nur barfuß weiter! Aber ich war ja noch immer nicht am Ziel, ich musste noch runter ins Untergeschoß... und war endlich angekommen! Dann das übliche japanische Badespiel, ausziehen, gründlich waschen und dann ab ins heiße Bad. Das war dann an der frischen (und sehr kalten) Luft. Es gab vier Bäder zur Auswahl, ein "normales" zum Sitzen, ein extraheißes, eins zum Stehen und eines mit "Strömung". Alles seeehr entspannend, der weite Weg hatte sich durchaus gelohnt.

Am nächsten Morgen gab es beim Blick aus dem Fenster eine Überraschung: es hatte geschneit. Nur ein bißchen, aber alles wie leicht gepudert.

Und nach Frühstück und Check-out hatte es auch nicht aufgehört. Bis der Zug Richtung Tokyo ging, hatten wir fast noch den ganzen Tag übrig, also wieder alle in den Bus und die Gegend erkundet. Es ging von Hängebrücken zu Raststätten mit Bauernmarkt, von Steakrestaurant zurück zum Supermarkt. Und dann war auch dieser Tag vorbei, alle müde und froh, den Shinkansen zu besteigen. Zurück in die Heimat, zurück nach Tokyo.

 

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