15.11.05

Muss man selber sehen

Manchmal gibt es Dinge, die mich beim Ansehen im wahrsten Sinne des Wortes umhauen. Die mir weiche Knie machen, das ich mich hinsetzen muss. So geschehen heute im Chichu Art Museum. Aber der Reihe nach.

Nachdem das schon mit Miyajima so gut geklappt hat (Prinzip: früh da sein) bin ich diesen Morgen auch wieder in aller Herrgottsfrühe aus den Federn gehüpft. Zwar war das Bett schön weich, grad im Vergleich zu den Brettern der letzten Woche, aber ein Kühlschrank im Zimmer ist so doll auch nicht. Stichwort: Temperatur halten...

Egal, auf, auf! Im Hotelrestaurant Frühstück eingeworfen (mal wieder traditionell japanisch, in der Jugendherberge war's besser...) und dann ab zum Hafen. Dann musste ich erstmal den richtigen Ticketschalter finden und dann noch kniffliger, die richtige Anlegestelle. Da ich ja früh genug da war, kein Problem, außerdem rennen einem die Japaner auch hinterher, wenn man in die falsche Richtung dackelt. Arigatou gozaimashita!

Also, richtige Fähre gefunden und dann ging es wieder raus auf die Seto-Inlandsee (so heißt das also auf deutsch, sagt Wikipedia). Diesmal dauerte die Überfahrt etwas länger, als die nach Miyajima, ungefähr eine Stunde, genug Zeit um den Ausblick auf das Binnenmeer zu genießen.

Oder sich im Fernsehen die Dauerberichterstattung über die Hochzeit der japanischen Prinzessin (bzw. jetzt Ex-Prinzessin, sie ist jetzt eine Bürgerliche) Sayako geben. Zuvor gab es stundenlang Tsunamiwarnungen. Für ca. 30 - 50 cm hohe Wellen. Naja, das Warnsystem scheint immerhin zu funktionieren und Vorsicht... irgendwas mit Müttern im Geschirrgeschäft oder so.

Auf Naoshima angekommen konnte man gleich in den Bus einsteigen, der einem zu den wichtigen Stellen bringt. Zuerst führte der Weg zum Benesse Haus. Dieses vom japanischen Architekten Tadao Ando entworfene Museum zeigt unter anderem Werke von Andy Warhol, David Hockney, Jackson Pollock und Richard Long. Die Einheit von Museum und Kunstwerken ist großartig, jedem Werk wird genügend Raum gegeben, damit der Betrachter alles auf sich wirken lassen kann. Auch die Landschaft wird mit eingebunden. So gibt es zum Beispiel ein Bild, auf dem ein schwarzes und ein gelbes Boot an einem Strand zu sehen sind. Vor dem Bild liegen die beiden Boote als verkleinerte Modelle. Und wenn man aus dem Fenster Richtung Strand blickt, entdeckt man in der Ferne wieder ein gelbes und ein schwarzes Boot.


Außerhalb des Benesse Hauses sind noch diverse Skulpturen sehr gelungen in die Landschaft integriert. Zum Beispiel das Werk "Cultural Melting Bath" von Cai Guo-Qiang. Das "Bath" im Namen stimmt sogar tatsächlich, das Ding in der Mitte des Bildes ist ein Bad im Freien:

Ein paar Minuten Fußweg weiter gelangt man dann schließlich zum Eingangsbereich des Chichu Art Museums. Das grundlegende Konzept des Museums war, das Architekt Tadao Ando einen Raum zur Ausstellung von Werken der Künstler Claude Monet, Walter de Maria und James Turell entwerfen sollte. Ando beschloß, das ganze Gebäude unterirdisch zu gestalten und vor allem so, dass so oft wie möglich natürliches Licht die Kunstwerke beleuchten soll. Das Ergebnis ist schlichtweg unglaublich genial. Das muss man selber gesehen haben. Wenn man nur einen Hauch von Interesse an moderner Kunst und Architektur hat, hier muss man hin!

Das Gebäude an sich ist ja schon ein Kunstwerk. So kommt man kurz nach dem Eingang in einen Gang, dessen Wände leicht geneigt sind. Versucht da mal nicht wie ein Betrunkener durch die Gegend zu taumeln. Ando (übrigens Autodidakt in Sachen Architektur) arbeitet besonders gerne mit Beton, Glas und Stahl. Im ganzen Gebäude herrscht eine minimalistische Klarheit vor, ich hätte am liebsten die ganze Zeit Fotos gemacht (leider nicht erlaubt). Selbst die Toiletten waren einfach großartig.

Jeder Künstler hat für seine Werke seinen eigenen Bereich. Von Monet werden zum Beispiel fünf seiner Seerosen/Wasserlilien-Bilder in einem Raum gezeigt. Das Licht wird von draußen in den Raum geleitet, je nach den Lichtverhältnisse draußen, verändert sich auch die Beleuchtung der Bilder. Das kann zu ganz anderen Einblicken führen. Der Raum ist zudem mit einem faszinierenden Mosaik ausgelegt und darf nur mit den hauseigenen Puschen betreten werden.

Die faszinierensten Werke waren für mich aber ohne Frage die von James Turell. Turell arbeitet mit Licht und der Verarbeitung im Hirn des Menschen. Zunächst betrat ich die Installation "Open Sky". Und da musste ich mich hinsetzen. In der Decke war eine Öffnung so geschickt angebracht, das es aussah, als wären die Decke und der Himmel auf einer Höhe. Sozusagen der sich ewig ändernde Himmel als Bild an der Decke. Ein unglaublicher Anblick. Verstärkt wurde der Eindruck noch durch eine sich verändernde Beleuchtung des Raumes. Aber es kam noch besser...

Nach kurzer Wartezeit wurde ich dann zur nächsten Installation "Open Field" vorgelassen. Vorher hieß es aber Schuhe aus und die Warnhinweise lesen... im Zentrum der Treppe hoch, nicht die Wände berühren, nicht zu weit vorgehen... ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet. Also, rein in den Raum... eine schwarze Treppe für zu einem blauen Bild an der Wand. Ich steige die Treppe hoch... stehe vor dem Bild... und stelle fest, dass es kein Bild ist! Da ist ein Raum! Also rein da. Ich taumle durch den Raum, man kann im Licht kaum die Dimensionen ausmachen. Ein unglaubliches Erlebnis. Kein Bild in irgendwelchen Büchern kann dem gerecht werden, das muss man selber erlebt haben.

Nachdem ich wieder aus dem "Open Field" raustaumelte, war die Installation von Walter de Maria eine passende Erholung. In einer riesigen Halle ruht in der Mitte eine riesige Steinkugel. Drumherum an den Wänden sind dutzende vergoldete Holzstelen in dreier Gruppen angebracht. Der ganze Raum wird wieder von natürlichem Licht beleuchtet. Durch Veränderung der eigenen Position im Raum und des Lichtes ergibt sich immer ein neues Bild. Ich glaube wenn Stanley Kubrick jemals eine Fortsetzung von 2001 gedreht hätte, dieser Raum wäre ein perfekter Drehort gewesen. Nur wäre der Monolith diesmal rund.

Verstärkt wird dieser leichte Science-Fiction-Eindruck noch durch die Tatsache, dass alle der Museumsangestellten, die die Werke betreuen und bewachen in komplette weisse Anzüge gehüllt sind. Wie gesagt, Kubrick hätte seinen Spaß gehabt.

Danach hätte ich zwar noch die Gelegenheit gehabt, mit das "Art House Project" anzugucken, bei dem in einem Dorf auf der Insel diverse Häuser saniert und mit Installationen versehen wurden. Aber erstens waren die Eindrücke aus dem "Chichu Art Museum" noch zu stark und zum anderen hätte das auch noch mal Eintritt gekostet. Und ich hatte schon für den ganzen Trip, inkl. Überfahrt und Souvenirkauf, schon gut und gerne 50 Euro gelassen.

Nach meiner Rückkehr nach Takamatsu (es wurde noch immer über die Hochzeit berichtet) machte ich mich endlich mal daran, Postkarten zu schreiben. Bin mal gespannt ob die vielleicht doch noch vor mir ankommen...

Und dann hab ich mich auf die Suche nach nem Netzwerkkabel gemacht. Ich hätte nicht gedacht, dass das hier so schwierig ist. In den Kaufhäusern hier gibt es fast nur Mode. Seufz. Nach einer Stunde stellte ich dann um die Ecke vor meinem Hotel fest, dass es da eine kleine Elektronikklitsche gibt. Und siehe da... ein Netzwerkkabel, 2 Meter für knapp 3 Euro. Das nehmen wir doch mit.

So. Und das war's dann mit Takamatsu. Morgen geht es dann auf nach Kanazawa. Da hab ich wenigstens schon eine Unterkunft sicher. Mein letzter Stopp vor meiner Rückkehr nach Tokyo. Und dann geht's auch schon wieder heim. Kinder, wie die Zeit vergeht...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

also wenn ich das alles so lese, wünschte ich, ich wär mit dir geflogen! irgendwann will ich auch mal nacht japan!!! und wenn du zeit hast kannst du ja dann reiseführer sein!!! dann streift das rudel durch wildes territorium!

viel spass noch!!!

dein bruder